Menschenhandel statt liebe

Woher kommt der Begriff „Loverboy“?

Der Begriff „Loverboy“ ist in Deutschland noch vergleichsweise jung. Erst ab 2010 wurde er hier im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung bekannt. Gemeint ist damit eine bestimmte Strategie von Menschenhändlern: Täter geben vor, eine Liebesbeziehung zu führen, um ihre Opfer emotional abhängig zu machen – mit dem Ziel, sie später in die Prostitution zu zwingen.

Ursprünge des Begriffs

Seinen Ursprung hat der Begriff in den Niederlanden, wo Ende der 1990er Jahre Medien erstmals über junge, meist marokkanische oder algerische Männer berichteten, die minderjährige Mädchen – oft mit niederländischer Staatsangehörigkeit – emotional an sich banden und dann ausbeuteten. Zuerst als „Loverboys“ wurden die Täter von einem Journalisten bezeichnet, der ein Gerichtsverfahren begleitete. In diesem setzen sich Frauen für die Freilassung des angeklagten Zuhälters ein, den sie als ihren „Loverboy“ bezeichneten.

Die Formulierung wurden daraufhin übernommen und in den Medien immer wieder reproduziert. Damals wurde viel über das Phänomen berichtet, allerdings meist ohne wissenschaftliche Grundlage. In der Forschung spricht man deshalb auch von einer „moral panic“ – einer übersteigerten gesellschaftlichen Reaktion durch wiederholte Reproduktion eines bestimmten Narrativs. Dennoch bestätigen spätere Studien, dass die beschriebene Täterstrategie real ist, auch wenn sie nicht neu war. Im Bereich der Zwangsprostitution gibt es diese Vorgehensweise der Täter schon lange – nur, dass sie noch keinen speziellen Namen hatte und nicht abgegrenzt wurde.

Verbreitung in Deutschland

In Deutschland wurde das Thema unter anderem durch die Initiative „StopLoverboys“ und die ehemalige Kriminalbeamtin Bärbel Kannemann bekannt gemacht. Ihre ersten Berichte beruhten vor allem auf persönlichen Erfahrungen mit Betroffenen. Auch deutsche Medien griffen das Thema auf – oft auf emotionalisierte Weise. Betroffene wurden etwa häufig als jung, naiv und hilflos dargestellt, was einer differenzierten Sicht auf Täter, Opfer und die Dynamiken der Ausbeutung nicht gerecht wird. Auch wurden und werden im Zusammenhang mit der Loverboy-Methode häufig Fälle in den Mittelpunkt gestellt, bei denen die Betroffenen minderjährige Deutsche sind. Auch in Deutschland wurden also die Narrative aus den Niederlanden reproduziert. Dabei entstand ein vereinfachtes Bild der Betroffenen, das von Anfang an in der Fachwelt kritisiert wurde.

Betrachtet man das Phänomen genauer, ergibt sich nämlich ein anderes Bild: die durchschnittliche Betroffene ist laut BKA1 zwischen 17 und 21 Jahre alt (40% der Betroffenen), wobei es neben wie beschrieben minderjährigen auch weitaus ältere Betroffene gibt. Auch ist die Herkunft Deutschland nicht definierend: Der Anteil deutscher Betroffener bewegt sich um die 30%, auch wenn die Täterstrategie laut Expert:innen häufig bei deutschen Betroffenen von Menschenhandel angewandt wird. Auch die Nationalitäten der Täter sind unterschiedlich, in Deutschland wurde allerdings festgestellt, dass die Täter häufig aus dem gleichen Land stammen wie die Betroffenen und sich das so bestehende Wissen über die Herkunft oder die Kultur, aus der die Betroffene kommt, zunutze machen.

Wichtig ist dabei immer: Die Zahlen bilden nur das Hellfeld ab und können nicht als repräsentativ betrachtet werden. Sie zeigen jedoch, dass in den Medien, in denen die Geschichten deutscher Betroffener zentral platziert werden, eine große Gruppe betroffener Personen nicht repräsentiert werden. Gerade Betroffene, die nicht aus Deutschland kommen, sind neben der emotionalen Abhängigkeit von Armut betroffen, haben keine Aufenthaltserlaubnis, sprechen die deutsche Sprache nicht und kennen weder ihre Rechte noch die Behörden oder Anlaufstellen, an die sie sich wenden können. So entstehen komplexe, mehrdimensionale Geflechte von Verletzlichkeit, die die Perspektivlosigkeit Betroffener noch steigert.

Das Problem mit dem Begriff „Loverboy“

Obwohl es keine einheitliche Definition gibt, stimmen Expert:innen in den Grundzügen überein: Die Loverboy-Methode beschreibt eine Vorgehensweise, bei der Täter eine scheinbare Liebesbeziehung aufbauen, um eine emotionale Abhängigkeit zu schaffen. Diese emotionale Bindung wird dann ausgenutzt, um die betroffenen Personen zur Prostitution zu drängen – mit dem Ziel, finanziellen Gewinn zu erzielen. Der Begriff ist jedoch rechtlich nicht definiert. Juristisch fällt das Vorgehen unter Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung oder Zwangsprostitution und wird nicht weiter abgegrenzt. Dennoch ist der Begriff in der Forschung und Prävention etabliert – was kritisch zu betrachten ist:

Schon früh wurde die Bezeichnung „Loverboy“ kritisiert, weil sie auf den ersten Blick verharmlosend wirkt. Der Begriff klingt nach Romantik und Verliebtheit – nicht nach gezielter Manipulation, psychischer Gewalt und Menschenhandel. Das kann dazu führen, dass das tatsächliche Ausmaß der Gewalt, die hinter dieser Methode steckt, unterschätzt wird. Wir verwenden daher häufiger das Wort ‘Täter’ oder ‘Zuhälter’ anstatt ‘Loverboy’ für die Bezeichnung des Täters. Außerdem wird durch das vereinfachte Opferbild, das in den Medien vorherrscht, die Realität eines großen Teil Betroffener nicht repräsentiert und übersehen, was gerade in der Präventionsarbeit sichtbar gemacht werden muss.

Fachberater:innen aus der Praxis betonen, dass der Begriff in der konkreten Arbeit mit Betroffenen keine entscheidende Rolle spielt. In der individuellen Beratung ist es wichtiger, die Dynamiken von Abhängigkeit, Gewalt und Ausbeutung zu verstehen als an einer bestimmten Begrifflichkeit festzuhalten. In der Forschung, den Medien und in der Präventionsarbeit hat sich die Bezeichnung „Loverboy-Methode“ mittlerweile aber etabliert, um diese besondere Form von Zwangsprostitution innerhalb (scheinbarer) Liebesbeziehungen zu beschreiben – schon bevor wir uns bei lightup damit beschäftigt haben.

Auch wenn der Begriff problematisch ist, kann er – wenn er differenziert verwendet wird – in der Aufklärungsarbeit nützlich sein. Denn er benennt eine spezifische Form der Gewalt, bei der emotionale Nähe und Beziehungsversprechen als Mittel der Kontrolle eingesetzt werden, und macht diese greifbarer und verstehbarer. Gerade in der Präventionsarbeit mit Jugendlichen gibt uns das einen Ansatzpunkt. Auch in den Medien konnte eine höhere Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit erreicht werden, dass Fälle in Zusammenhang mit einer Bezeichnung publik wurden, was zum einen bestehendes Wissen über Menschenhandel und Zwangsprostitution in Deutschland erweitert hat, aber auch zu Schutz- und Präventionsmaßnahmen geführt hat. Dennoch sollte die Nutzung des Begriffs immer kontextualisiert und kritisch reflektiert werden, um ein ganzheitliches Bild zu zeichnen, eine größtmögliche Gruppe Betroffener zu repräsentieren und Verharmlosung zu entgehen.

*Dieser Artikel ist aus einer Bachelorarbeit entstanden, aber keine wissenschaftliche Quelle! Wenn du die Inhalte zitieren oder weiterverwenden möchtest, lese sie bitte im Kontext der Arbeit und verwende die richtigen Quellen 😉

Quellen

1 Bundeskriminalamt; die Zahlen stammen aus einer Sonderauswertung des BKA zu Loverboy-Fällen zwischen 2017 und 2021 (vgl. Körner 2023)

BKA. (2017). Bundeslagebild Menschenhandel 2015. Bundeskriminalamt.

BKA. (2025). Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2023. Bundeskriminalamt.

Bovenkerk, F., & van San, M. (2011). Loverboys in the Amsterdam Red Light District: A realist approach to the study of a moral panic. Crime, Media, Culture, 7(2), 185–199.

Bubenitschek, V. G., Kannemann, B., & Wegel, M. (2011). Die „Loverboys“-Methode—Ein neues Phänomen in der Jugendprostitution? Kriminalistik, 09/2011.

Hill, E., & Bibbert, M. (2019). Zur Regulierung der Prostitution: Eine diskursanalytische Betrachtung des Prostituiertenschutzgesetzes. Springer Fachmedien Wiesbaden.

Körner, M. (with Universität Vechta). (2023). Die Loverboy-Methode in Deutschland: Erklärungsansätze emotionaler Abhängigkeit vor dem Hintergrund von Vulnerabilität und Täterstrategien im Deliktsfeld Zwangsprostitution. Verlag für Polizeiwissenschaft, Prof. Dr. Clemens Lorei.

Müller-Güldemeister, S. (2011, Dezember 5). Expertise zum Thema „Deutsche Betroffene von Menschenhandel (KOK, Hrsg.).

van San, M., & Bovenkerk, F. (2013). Secret seducers—True tales of pimps in the red light district of Amsterdam. Crime, Law and Social Change, 60(1), 67–80.

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