Vulnerabilität – wer wird da eigentlich übersehen?
Wenn junge Menschen Opfer der Loverboy-Methode werden, spielen häufig bestimmte Lebensumstände oder persönliche Voraussetzungen eine Rolle, die ihre Anfälligkeit für die Manipulation durch Täter erhöhen können. Zwei zentrale Punkte sind dabei in der Literatur häufig erläutert: das junge Alter bzw. die damit verbundene geringe Lebenserfahrung sowie Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend.
Sind denn alle Betroffenen minderjährig?
Dabei ist allerdings zu beachten: nicht alle Betroffenen der Loverboy-Methode sind minderjährig, wie es durch die Berichterstattung in den Medien aber auch in Teilen in der Literatur wirkt. Die durchschnittliche Betroffene ist laut Sonderauswertung des BKA zwischen 17 und 21 Jahren alt (ja, von dieser Gruppe sind manche auch minderjährig – wie viele das sind ist aber nicht ausdifferenziert). Dabei gibt es sowohl jüngere Betroffene als auch weitaus ältere Betroffene.
Dabei sind zwei Dinge bei der Betrachtung dieser Auswertung allerdings einzubeziehen:
Junge Frauen gelten im Milieu besonders beliebt, wohl auch, weil von einer geringeren Ansteckungsgefahr mit sexuell übertragbaren Krankheiten ausgegangen wird. So steigert sich der potenzielle Gewinn des Täters, was junge Frauen auch für die attraktiver macht.
Unter 21-jährige sind rechtlich als besonders schutzbedürftig definiert, was der Polizei mehr Handhabe in den Ermittlungen gibt und auch die Verurteilung von Tätern vereinfacht. Es ist also davon auszugehen, dass diese Fälle deswegen häufiger ermittelt und verurteilt werden, und dadurch auch gehäuft in der Statistik auftauchen.
Betroffene aus dem Ausland
Untypisch für andere Betroffene von Zwangsprostitution kommen bei der Loverboy-Methode verhältnismäßig viele Betroffene aus Deutschland. Gerade diese Gruppe Betroffener wird häufig portraitiert. Diese Lebensgeschichten und Realitäten sind auch wichtig, weil sie für viele Menschen erst klar machen, wie nah Menschenhandel doch am eigenen Leben dran ist. Trotzdem ist es wichtig, auch weniger zentral platzierte Opfergruppen in den Blick zu nehmen:
Viele Betroffene kommen im Zuge der Ausbeutung erst nach Deutschland. Häufig kommen sie aus Ländern, in denen die wirtschaftliche Lage prekär ist und viele Menschen von Armut bedroht sind. Oft hoffen sie auf eine bessere Zukunft in Westeuropa. Täter nutzen diese Hoffnungen gezielt aus und versprechen den Betroffenen ein gemeinsames, besseres Leben in Deutschland.
So spielen neben der emotionalen Abhängigkeit zum Täter auch ein unsicherer oder fehlender Aufenthaltsstatus, Unwissen über die eigenen Rechte und Möglichkeiten und Sprachbarrieren und noch stärkere Isolation vom eigenen Umfeld durch die geografische Distanz eine Rolle. Diese Mischung aus „Push- und Pull-Faktoren“ verstärkt die Abhängigkeit vom Täter und macht es Betroffenen noch schwerer, aus der Situation aussteigen zu können.
Über diese Gruppe Betroffener und die Auswirkung intersektional wirkender Vulnerabilitätsfaktoren gibt es kaum dezidierte Forschung. Diese Lücke gilt es zu schließen und gleichzeitig den Bias zu hinterfragen, weshalb diese Lücke überhaupt erst so entstanden ist.
Zentral dabei: Täter gehen strategisch vor
Unabhängig davon, welche dieser Faktoren zutreffen, gilt: Täter der Loverboy-Methode handeln planvoll. Sie sprechen oft gezielt Mädchen an, die sie als leicht beeinflussbar einschätzen — zum Beispiel solche mit wenig sozialer Rückendeckung oder geringem Selbstbewusstsein. Der Aufbau einer emotionalen Abhängigkeit ist dabei kein Zufall, sondern ein kalkulierter Teil der Strategie. Die beschriebenen Faktoren treten in unterschiedlichen Kombinationen oder in manchen Fällen gar nicht zu. Kein einzelner Punkt erklärt, warum jemand Opfer wird. Vulnerabilität ist immer ein Zusammenspiel verschiedener persönlicher und sozialer Bedingungen — und Abhängigkeit entsteht durch die gezielte Manipulation durch den Täter.
*Dieser Artikel ist aus einer Bachelorarbeit entstanden, aber keine wissenschaftliche Quelle! Wenn du die Inhalte zitieren oder weiterverwenden möchtest, lese sie bitte im Kontext der Arbeit und verwende die richtigen Quellen 😉
Quellen
BKA. (2025). Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2023. Bundeskriminalamt.
Körner, M. (with Universität Vechta). (2023). Die Loverboy-Methode in Deutschland: Erklärungsansätze emotionaler Abhängigkeit vor dem Hintergrund von Vulnerabilität und Täterstrategien im Deliktsfeld Zwangsprostitution. Verlag für Polizeiwissenschaft, Prof. Dr. Clemens Lorei.
Le Breton, M. (2011). Sexarbeit Als Transnationale Zone der Prekarität: Migrierende Sexarbeiterinnen Im Spannungsfeld Von Gewalterfahrungen und Handlungsoptionen. VS Verlag fur Sozialwissenschaften GmbH.
Müller-Güldemeister, S. (2011, Dezember 5). Expertise zum Thema „Deutsche Betroffene von Menschenhandel (KOK, Hrsg.).
Petrungaro, S., & Selezneva, E. (2025). Rights of Sex Workers in Germany: Shifting Focus from the Locals to the Migrants from Eastern and Southeastern Europe? (No. IOS Policy Issues, 8). Institute for East and Southeast European Studies IOS.

